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Katharina Seiser: Die Kraft von Comfort Food: „Wir empfinden ein Gericht intensiver, wenn wir ein Gefühl mit ihm verbinden“

Manche Gerichte wecken Erinnerungen, andere treffen uns wie Amors Pfeil direkt ins Herz. Der stern hat mit Kulinarik-Expertin Katharina Seiser über Heimat, kulinarische Traditionen und Lieblingsgerichte gesprochen.

Frau Seiser, kennen Sie die berühmte Madeleine-Episode von Marcel Proust? Darin weckt der Geruch eines Gebäcks Erinnerungen aus der Kindheit.
Selbstverständlich kenne ich die. Sowohl die peinlich genau beschriebene Suche Prousts nach der Quelle der Gefühle, die das in Tee getauchte Gebäck Madeleine bei ihm auslöst als auch diese Momente. Wir alle kennen sie! Das sind die Momente, in denen wir aus dem Nichts ein Gefühl aus der Vergangenheit beinahe wiedererleben, ausgelöst durch eine geruchliche oder geschmackliche Erinnerung. Mir passiert das ständig, denn ich habe eine Art Hundenase und nehme die Welt sehr intensiv darüber wahr. 

Welches Gericht versetzt Sie in Ihre Kindheit zurück?
Wenn ich gebratenes Schweinefleisch mit Knoblauch und Kümmel rieche, bin ich im Pyjama bei meiner Oma, die einen marinierten Schweinsbraten zubereitet. Wenn ich den ersten Bissen meines Schneeomeletts mit Himbeeren esse, bin ich wieder das unbeschwerte Kind, das diese himmlische Mehlspeise ganz allein aufessen darf. Rieche ich Bitterorangenblüten, bin ich im Paradies!Schneeomelett

Schmeckt uns ein Gericht, zu dem wir eine emotionale Verbindung haben, besser?
Ich fürchte, das kann in alle Richtungen gehen. Emotional heißt ja noch nicht angenehm, das Gegenteil kann auch der Fall sein. Viele kennen den Kamillentee-Effekt: Sie mögen schon die Vorstellung des Geruches nicht. Er erinnert sie an die Übelkeit, die sie hatten, als ihnen der Tee als Kind serviert wurde. Ich dagegen liebe den Duft von Kamille, nicht nur im Tee, sondern zum Beispiel auch in Süßspeisen. Was sicher stimmt: Wir schmecken und empfinden ein Gericht intensiver, wenn wir irgendein Gefühl, eine Erinnerung mit ihm verbinden. Wenn wir uns keine Zeit zum Essen nehmen, werden wir aber nicht dahinterkommen, welche das sind.

Manche Gerichte schaffen es, ein positives Gefühl auszulösen und sogar das Wohlbefinden zu steigern. Was ist für Sie so ein Wohlfühlgericht?
Für mich muss es zuallererst zu mir und dem Moment passen. Sprich: Wie fühle ich mich, welches Wetter ist, worauf habe ich Lust. Das können Konsistenzen sein, bei mir ist es oft knusprig, Geschmäcker oder Länderküchen. Oft sind Wohlfühlgerichte solche, die wir schon lang kennen, aber nicht zwingend. Auch ein Gericht, das wir zum ersten Mal gemacht haben, kann sich beim ersten Bissen als ein Wohlfühlgericht herausstellen. Ich habe solche Entdeckungen bei der Arbeit an meinem Kochbuch „Österreich express“ gemacht – eine davon war das „Kaiserschnitzerl mit Kapern und Zitronen“ in cremiger Sauce mit Spiralnudeln. Die lange österreichische Geschichte lässt grüßen.

Ein Klassiker! Wie wichtig ist Ihnen die Bewahrung kulinarischer Traditionen? 
Zugleich sehr und gar nicht. Sehr, weil es wirklich dumm ist, unser kulinarisches Erbe gering zu schätzen. Damit meine ich all das, was wir vom Anbau der Zutaten bis zur optimalen Verarbeitung in ein Gericht über viele Generationen gelernt haben. Da steckt viel Kulturgeschichte drin. Auch wie unsere Landschaft, unsere Küchen, letztendlich wir selbst aussehen. Sobald wir nach Italien kommen, sind wir verzückt von den einfachsten Gerichten aus der Tradition der „Cucina povera“, der Arme-Leute-Küche. Wir haben in Österreich wie in Deutschland genauso einen Schatz an Rezepten, die es so – in dieser Form, mit diesem Geschmack, aus diesen Zutaten – nur bei uns gibt. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein täte uns gut.

Das neue Kochbuch von Katharina Seiser, „Österreich Express. Schnelle Klassiker & Lieblingsrezepte“ ist im Brandstätter Verlag erschienen, 288 Seiten, 36 Euro

Wie meinen Sie das? 
Pflegen wir diesen Wissensschatz doch und geben ihn weiter! Trotzdem muss es aber immer erlaubt sein, auf Basis des Wissens und Beherrschens des eigenen kulinarischen Kanons, diesen jederzeit und in allen Aspekten in Frage zu stellen. Sonst bleiben wir stehen, oder schlimmer, verschließen uns vor vielen spannenden neuen Dingen und verherrlichen alte Zeiten, in denen sicher nicht alles besser war.

Ist das ein Aufruf, Neues zu probieren?
Ich tue nichts lieber als Lebensmittel und Speisen zu entdecken und zu verkosten – am liebsten auf Märkten und in kleinen Lokalen. Gerade war ich mit meinem Mann, er ist Opernsänger, wieder ein paar Wochen in Japan, gleich danach in Frankreich. Es ist für mich verblüffend und lehrreich, wie unterschiedlich gerade diese beiden Esskulturen sind. Beide werden zu den besten Küchen der Welt gezählt. Ich liebe es, herauszufinden, welche Zutaten, Gewürze, Techniken, Kombinationen so eine Länderküche ausmachen. Und selbstverständlich integriere ich Erkenntnisse aus den Reisen und Recherchen behutsam in meine Küche.

Verraten Sie uns, welche?
Salzzitronen mache ich zum Beispiel seit Jahren und verwende sie für viel mehr als nur für nordafrikanische Gerichte. Sie passen super zu Kohlrouladen. Ein Spritzer trockener französischer Wermut oder feiner Sojasauce steht österreichischen Klassikern hervorragend. Kimchi passt perfekt in den Toast mit heimischem Bergkäse. Essen kennt keine Grenzen, sondern es verbindet. Das ist ja das Schöne! Gibt es Trostessen wirklich? 10.55

Und wie schmeckt für Sie Heimat?
Nach ganz vielen verschiedenen Dingen: dem „Apfelschlangerl“ meiner Tante Herta, den Kärntner „Kasnudeln“ meiner Tante Erna, dem Kaiserschmarrn meines Mannes, den Gefüllten Eiern meiner Mama. Nach salzigen wie süßen Mehlspeisen, Nockerln, Knödeln, Tascherln. Nach Roggenbrot mit Butter, Erdäpfelkas oder Liptauer. Nach Kümmel, Schnittlauch, Paprika und Liebstöckel, nach Speck, Kren, Sardellen und Kapern und vielem, vielem mehr.

Wer hat Sie kulinarisch am meisten geprägt?
Ganz viele Menschen, aber am meisten jene, die mir ehrliches Essen gekocht haben, seien es Omas, Tanten, Mama, Schwiegermama oder mein Mann. Mit „ehrlichem Essen“ meine ich aus frischen, guten Zutaten ohne Convenience-Produkte zubereitete Mahlzeiten. Es gehören aber auch Köchinnen und Köche in Gasthäusern und Restaurants dazu, die ihre Klassiker pflegen und Techniken beherrschen, die viele Jahre Übung brauchen. Und natürlich Autorinnen und Autoren, die vor mir sorgfältig Rezepte in Kochbüchern festgehalten haben.

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