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Bauernproteste: Agrarinfluencerin: „Insbesondere in den Städten haben die Menschen kein Verständnis und verurteilen uns“

Nach Klimaktivisten und Lokführern legen die Landwirte den Verkehr in Deutschland lahm. Nur was muss sich für die Bauern ändern? Agrarfluencerin Marie Hoffmann über Ablehnung, Diesel-Trecker und Klimaschutz auf dem Acker.

Marie Hoffmann ist Landwirtin auf einem Ackerbaubetrieb in Soest und Agrarfluencerin. Wenn die 26-Jährige nicht gerade auf Feldern und Äckern unterwegs ist, erklärt sie ihren Followern auf Social Media das Landleben. Die studierte Agrarwissenschaftlerin nimmt mit ihrem Trecker an den Bauernprotesten teil. 

Frau Hoffmann, Sie kennen das: kein Urlaub im Jahr, sieben Tage pro Woche arbeiten. Warum sind Sie trotzdem Landwirtin geworden?
Es ist der wichtigste Beruf, den wir haben. Die Lebensmittelproduktion ist eigentlich die Grundlage unseres Lebens. Wenn man krank ist, dann braucht man einen Arzt, aber wenn man hungert, dann brauchen wir Landwirte.

STERN PAID 46_23 Biohof Biobauern 13.54 Uhr

Hätten Sie den Beruf auch gewählt, wenn Sie genau gewusst hätten, was heute auf Sie zukommt?
Auf jeden Fall. Kann sein, dass einige jetzt bereuen, einen Hof übernommen zu haben, oder sogar an der aktuellen Lage scheitern. Aber ich bin finanziell durch meine Selbstständigkeit, Workshops und meine Arbeit in den sozialen Medien abgesichert. Landwirtschaft ist meine Leidenschaft.

Das klingt sehr privilegiert. Haben Sie überhaupt einen Grund, die Straßen zu blockieren?
Die Landwirtschaft selbst ist definitiv nicht privilegiert und es liegt nicht nur am Agrardiesel und der Kfz-Steuer, dass wir auf die Straße gehen.

Sondern?
Wenn die Produktionskosten steigen, können wir die Preise nicht an die Verbraucher weitergeben oder an die Inflation anpassen, weil der Handel die Lebensmittelpreise bestimmt. Unsere Investitionsspielräume schrumpfen dadurch, aber wenn wir klimafreundlicher wirtschaften sollen, brauchen wir Planungssicherheit.

Laut Bericht des Deutschen Bauernverbandes sind Ihre Einnahmen um 45 Prozent gestiegen. Das ist viel.
Durch den Krieg in der Ukraine sind unsere Einnahmen zwar in einem Jahr gestiegen, aber damit haben wir geringe Erträge aus den Vorjahren ausgeglichen. Jetzt gehen Gelder verloren, die für langfristige Investitionen eingeplant waren.

Wie viel Geld fehlt Ihrem Betrieb denn?
Sinken die Subventionen, dann fehlen uns pro Jahr 3000 Euro.

Sie sind auch Agrarfluencerin. Wie reagieren die Leute gerade auf Ihren Protest?
Viele können nachvollziehen, warum wir auf die Straßen gehen. Manche sind begeistert und unterstützen uns. Aber das ist nicht überall der Fall.

Wer kritisiert Sie?
Einige Menschen, insbesondere im städtischen Raum, haben wenig Verständnis dafür und verurteilen uns stark. Sie machen uns für alle möglichen Umweltkrisen verantwortlich, zum Beispiel für das Insektensterben.

Die Stadtbewohner haben auch schlechte Erfahrungen mit den Klimaaktivisten gemacht – deren Protestaktionen Sie ja jetzt nachahmen. Haben Sie keine Angst, dass die Stimmung den Landwirten gegenüber auch auf dem Land kippen könnte?
Unsere Proteste sind angemeldet. Ich hoffe, dass alle friedlich zeigen, was sie an der Agrarpolitik stört. Wenn Randgruppen die Proteste unterwandern, besteht die Gefahr, dass das auf uns alle zurückfällt. Damit verspielen wir den Rückhalt in der Bevölkerung.PAID Aktivisten Autobahnproteste 18.40

Rechte kapern Demos.
Ich kenne niemanden, der sich bei solchen Randgruppen dazustellen würde. Ich kann zwar nicht für alle sprechen, aber viele Landwirte finden das Wahlprogramm der AfD nicht gut. Es passt nicht zu uns. Die Partei will die EU auflösen und Subventionen für die Landwirtschaft streichen. Und das Klima steht bei ihnen auch nicht gerade oben auf der Prioritätenliste.

Sie wollen das Klima schützen, aber pusten jetzt bei den Protesten viele Abgase in die Atmosphäre?
Berechtigte Frage, aber wir machen das alles nicht nur für uns, sondern auch für die Verbraucher, damit sie weiterhin regionale Produkte kaufen können – es geht uns alle an, aber dafür brauchen wir auch die entsprechende Aufmerksamkeit.

Ach so?
Viele wollen sich bestimmt weiterhin regionale Lebensmittel leisten können. Deshalb gehen wir auf die Straßen, weil wir mit unseren Flächen auch die Möglichkeit haben, Klimaschutz zu betreiben.

Welche Möglichkeiten hätten Sie dazu?
Man kann CO2 in Form von Humus als Pflanzenmaterial oder anderer organischer Masse im Boden speichern. Dadurch können wir nicht nur klimaschonend wirtschaften, sondern auch aktiv zum Klimaschutz beitragen, weil wir das CO2 aus der Atmosphäre binden.

Das klingt sehr aufwendig. Wäre das an allen Höfen einfach so möglich?
Es ziehen immer mehr mit, auch weil viele die Vorteile einer besseren Bodenqualitätsehen. Gerade bei Extremwetterereignissen, ist eine gesunde Bodenstruktur sehr wichtig, weil der Boden dann nicht mehr so einfach weggeschwemmt oder abgetragen wird. Das ist für Betriebe auch ein wirtschaftlicher Vorteil. Aber bei der regenerativen Landwirtschaft macht noch nicht jeder mit. Das Thema etabliert sich auch erst jetzt zunehmend in der Forschung. In meinen Videos auf Social Media versuche ich darüber aufzuklären.

Mit sinnvollen Alternativen wäre das schrittweise Ende der Subventionen kein Problem.

Das klingt schön und gut, aber was ist mit den Diesel-Treckern? Gibt es dafür schon Alternativen?
Wir könnten Abfälle, Mist und Gülle zu Biogas umwandeln und beispielsweise in Form CNG (gasförmig) oder LNG (flüssig) einsetzen. Aber dafür fehlt noch die Infrastruktur. Biogasanlagen auf Methan umzustellen, wird noch zu selten genehmigt. 

Warum?
Deutschlandweit gibt es knapp 10.000 Biogasanlagen, ungefähr 220 sind Biomethananlagen. Biogasanlagen werden aus Sicherheitsgründen noch selten genehmigt, weil die Behörden die Explosionsgefahr fürchten. 

Teuer sind sie bestimmt auch …
Biogasanlagen umzurüsten würde mehrere zehn-, wahrscheinlich sogar 100.000 Euro kosten. Aber das Methan könnte auch in das Gasnetz eingespeist werden. Wir wollen nicht ewig auf unserem Diesel herumreiten, aber momentan gibt es keine praxistauglichen Alternativen. Was wir brauchen, sind politische Anreize und Konzepte. Und da hakt es.

Sie halten die Agrardiesel-Subventionen also auch nicht mehr für zeitgemäß?
Die Regierung ist die Maßnahmen einfach falsch angegangen. Mit sinnvollen Alternativen wäre das schrittweise Ende der Subventionen kein Problem.STERN PAID 03_23 Protestführer Bauernstreik6.07

Sehen das eigentlich alle ihre Kollegen so? Man hat eher den Eindruck, dass es vielen ums Geld geht.
Besonders meine jungen Kollegen sind sich dem Klimawandel bewusst und wollen, dass auch die nächsten Generationen auf dieser Erde leben und mit der Natur arbeiten können. In unseren Betrieben leben auch immer mehrere Generationen, deshalb ist dieser Nachhaltigkeitsgedanke bei uns stark verankert.

Wie lange müssen Sie noch protestieren?
Ich hoffe, dass wir in den nächsten zwei Wochen und beim Gespräch im Bundestag am 15. Januar etwas bewirken können.

Würden Sie den Beruf auch weiter ausüben, wenn die Bundesregierung an ihren aktuellen Sparplänen festhält?
Auf jeden Fall. Man wird nicht Landwirt, um reich zu werden, sondern aus Überzeugung. Das war mir auch vorher schon bewusst. Und deswegen bleibe ich dem Beruf auch treu.